Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht

FrankreichKorsikaReisen
18. Oktober 2015 / By / , / 16 Comments

Hände hoch: Wer hat schon mal von Corte gehört? Leute, die schon mal da waren, mal ausgenommen. Irgendwer? Wie sieht es mit einer beliebigen anderen Stadt auf Korsika aus? Wortmeldungen? Nicht…?! Genauso ging es mir auch. Wieso ist das so? Wieso weiß man so wenig über die Insel und ihre Orte? Ich kenne Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso, aber über Korsika wusste ich bis zu meiner Reise Anfang September so gut wie nichts. Mal abgesehen davon, dass es dort hübsch sein soll. Immerhin, das ist ja auch schon mal eine wichtige Erkenntnis…

Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein Name
Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein NameKorsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein Name

Gleich vorweg: Corte ist nicht die Hauptstadt von Korsika. Die Hauptstadt von Korsika ist Ajaccio. Corte war aber mal Hauptstadt. Zumindest kurz. Und vor sehr, sehr langer Zeit. Von 1755 bis 1769 deklarierte der patriotische, korsische Widerstandskämpfer Pasquale Paoli die Unabhängigkeit von den genuesischen Besatzern, die in den letzten fünf Jahrhunderten mehr oder weniger das Zepter über die Insel innehatten, und etablierte einen korsischen Staat. Der umfasste zwar nicht die ganze Insel, aber besser als nichts, würde man heute sicher sagen. Er schuf damit nämlich für knapp 15 Jahre etwas, das sich viele Korsen auch in diesen Tagen wieder (oder noch) wünschen: Souveränität. Inklusive einer demokratischen Verfassung, Corte als Hauptstadt und einer Universität ebenda.

Tja, und dann „vertickte“ Genua 1768, um seine Schulden zu begleichen, ganz Korsika an die Franzosen. Das fanden die Korsen uncool und zettelten einen Massenaufstand an, woraufhin Versailles die Kavallerie losschickte, man kämpft, kämpfte und kämpfte und verlor im Mai 1769 in der Schlacht von Ponte Nuovo nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch den „Vater des Vaterlandes“ Pasquale Paoli, der ins englische Exil ging. Und seitdem gehört Korsika zu Frankreich.

Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein Name
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Soviel zur korsischen Unabhängigkeits-Geschichte in neun Sätzen. Mit herzlichem Dank an mein Reisehandbuch Korsika* vom Michael Müller Verlag, das mir das Thema während der Anreise nähergebracht hat. Deutlich umfangreicher zwar, aber ich war so frei, das für Euch zusammenzufassen. Meine Ausgabe habe ich im Rahmen der Pressereise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, aber ich nutze die MM-Reiseführer auch schon seit einigen Jahren privat, einfach weil sie in der Regel toll recherchiert sind und über die Standard „Top 10“-Infos anderer Verlage deutlich hinausgehen. Hier erfährt man tatsächlich noch was und bekommt im Vorfeld der Reise einen echten ersten Eindruck seines Reiseziels. Das klingt jetzt nach abgeschriebener Pressemitteilung, ist aber die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ;)! Und ja, ich benutze auch in Zeiten von erschwinglichem Datenroaming im Ausland noch gedruckte Reiseführer. Total crazy, ich weiß. Aber ich habe nicht umsonst Buchwissenschaft studiert. Ich liebe Bücher.

Aber zurück zu Corte. Corte ist alt. Und das sieht man der Stadt auch an. Zumindest im Bereich der Altstadt, die mit zu DEN touristischen Highlights der Insel gehört. Zu Recht. Eigentlich war geplant, dass wir schon am Nachmittag in der im Landesinneren gelegenen Stadt ankommen und nicht nur sie selbst, sondern auch das völkerkundliche Museum der Insel ausgiebig besichtigen. Da wir die ersten Programmpunkte des Tages aber mehr als ausgedehnt haben, kommen wir erst nach Einbruch der Dunkelheit an und müssen uns mit einem nächtlichen Rundgang begnügen. Der kann aber auch was. Ich habe es hier schon mal erwähnt: In lauen Sommernächten durch die Straßen einer mediterranen Stadt zu spazieren, ist für mich der Inbegriff von Urlaub. Der mehr oder weniger konsequente Einsatz von Natriumdampflampen und die damit einhergehende Gelbfärbung von quasi allem, kombiniert mit sommerlichen Temperaturen, lassen bei mir direkt Ferienstimmung aufkommen. Selbst wenn ich beruflich unterwegs bin. Und besonders gut wirkt das eben im historischen Umfeld.

Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein Name
Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein Name
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Die meisten der Häuser, die von außen teilweise etwas heruntergekommen aussehen, sind im Inneren übrigens aufwendig restauriert, wie wir während unserer kleinen Besichtigung erfahren. Dass sie äußerlich so aussehen, wie sie aussehen, ist volle Absicht. Das Stadtbild soll erhalten bleiben und zwar genauso, wie es schon seit Jahrhunderten aussieht. Totmodernisierung gibt es hier nicht. Die Geschichte wird ernstgenommen. Und sie strömt aus jeder der schmalen, mit Flusskieseln gepflasterten und steil ansteigenden Gassen, die wir entlangspazieren.

Wir starten ganz oben, quasi auf dem Gipfel der Stadt. Auf einem großen Felsen thront hier die Zitadelle, die einzige größere militärische Festung im Herzen von Korsika. Ganz oben an der Südspitze findet man das „Adlernest“ (Nid d’Aigle), den ältesten Teil der Anlage, der fast ein bisschen über den Felsvorsprung hinausragt und sich nachts hübsch beleuchtet über dem alten Ortskern erhebt. Obendrüber funkeln die Sterne zu Tausenden, was man selbst hier in der Stadt noch hervorragend mit bloßem Auge erkennen kann. Vorbei am „Museu di a corsica“ geht es zum Place Gaffori, der nach dem zweiten großen korsischen Widerstandskämpfer Gianpietro Gaffori benannt ist und wo auch seine Statue mit ausgestrecktem Arm in die Nacht zeigt und sein von Kugeln durchlöchertes Wohnhaus von der Zeit der Belagerung durch die Genueser zeugt. Nach einem leckeren Abendessen im „U Campanile“ geht es vorbei an der „Èglise de l’Annonciation“ und einem entzückenden, irgendwie aus der Zeit gefallenen, kleinen Lebensmittelladen immer weiter bergab in Richtung Place Paoli und schließlich entlang des Cours Paoli, Cortes Einkaufsstraße, wo auch zahlreiche Restaurants und Cafés die Bürgersteige säumen, wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt.

Korsikas heimliche Hauptstadt: Corte bei Nacht - © Fee ist mein Name
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Übrigens: Die Uni, die Paoli im 18. Jahrhundert gründete, existierte nur vier Jahre. Sie „starb“ zusammen mit der Unabhängigkeit. Seit 1981 jedoch gibt es wieder eine Universität in Corte (die einzige auf der ganzen Insel) und sie sieht sich in direkter Nachfolge ihres 200 Jahre alten Vorgängers. Deutlich mehr als die Hälfte der knapp 7000 Einwohner des Städtchens sind Studenten. Und so ist Corte gar nicht so alt, wie es auf den ersten Blick aussieht. Eigentlich ist es der jüngste Ort der Insel. Zumindest wenn man nach dem Durchschnittsalter geht. Corte lebt und ist unbedingt einen Besuch wert. Und ich bin sicher: Nicht nur bei Nacht ;)!

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Zum Aufenthalt auf Korsika wurde ich von Atout France und dem korsischen Tourismusverband eingeladen. Der Reiseführer „Korsika“ wurde mir vom Michael Müller Verlag zur Verfügung gestellt. Eine Meinung zur Insel habe ich mir aber selbst gebildet. Und die ist unabhängig davon sehr positiv…

*Link im Rahmen des Amazon-Affiliate-Programms. So Ihr den Reiseführer dort kauft, würde ich mich freuen, wenn Ihr es über diesen Link tut, denn so bekomme ich auch ein paar Cent vom Kuchen, ohne dass es Euch mehr kostet. Und Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist ;)!

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16 Kommentare

  1. grain de sel sagt:

    Korsika ist für mich verwoben mit lauter schönen Erinnerungen: Mädelsurlaub, trampend, frei, absolut low budget – und das wunderschöne Korsika bot dazu Traumkulisse

  2. Farbtupfen sagt:

    Ich war noch nie auf Korsika, aber dein Bericht mit den tollen Bildern hat echt Lust darauf gemacht, es selbst einmal zu erforschen. Super!
    Übrigens würdest du dich sicherlich auch gut als Geschichtslehrerin machen. Deine lockere Art Geschichtsdaten zu präsentieren würden bestimmt Schulklassen begeistern. 🙂

    • Fee ist mein Name sagt:

      Nur, dass ich mich als Pädagogin überhaupt nicht eigne, befürchte ich. Geduld und Autorität sind nicht gerade meien Kernkompetenzen ;)!

  3. julia sagt:

    die insel hatte ich irgendwie nie so richtig auf'm schirm als reiseziel… aber die kommt jetzt auch auf die liste 😀

    auf so eine laue sommernacht hätte ich jetzt auch lust… hach… blöder herbstregen 😀

    • Fee ist mein Name sagt:

      Ich würde auch am liebsten ins Flugzeug steigen und direkt wieder los. Der Punkt ist: Ich steige schon Mittwoch wieder ins Flugzeug. Bloß in die Kälte :D!

  4. germangreeneyedmonster sagt:

    Korsika befindet sich seit Jahren auf meiner Reiseliste nur leider fliegen wir meistens Anfang Oktober in Urlaub und in den Winterflugplaenen ist Korsika nicht mehr so ueppig vertreten, hoffentlich klappt es trotzdem mal.

    • Fee ist mein Name sagt:

      Tatsächlich? Wir hatten Korsika als Alternative zu Mallorca überlegt und die Flüge waren dabei eigentlich nicht das Problem. Eher dass wir so kurzfristig Probleme hatten, noch eine schöne Unterkunft zu finden. Aber das holen wir sicher irgendwann nach!

  5. Anonym sagt:

    Wunderschöne Fotos, die die Atmosphäre Cortes prima widerspiegeln. Beim Betrachten der Bilder und Lesen der Texte spüre ich, dass Korsika eine neue "Botschafterin" gefunden hat…:-)
    Vielen Dank. Eckhard Kloth

  6. Bianca (Bibi) sagt:

    Liebe Fee, so tolle Fotos und Eindrücke. Du hast mein kleines korsisches Herz berührt, ganz ehrlich. Meine Liebe zu Korsika habe ich vor 25 Jahren entdeckt, seitdem bin ich mehrmals im Jahr dort. Ich freue mich immer für meine Mitmenschen wenn sie ihre Liebe zu Korsika entdecken. Und du hast es einfach wunderbar beschrieben, was die Insel bzw. Corte ausmacht. Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht von der Insel.
    LG
    Bibi

  7. Paleica sagt:

    ich war ja leider nur einen tag in korsika und hab da so eine hinterlandinselrundfahrt gemacht mit einem entzückenden guide, der uns damals auch viel über die korsaren erzählt hat. ein spannender ort mit bewegter geschichte, eine wirklich interessante insel!

  8. Kerstin sagt:

    Hallo, liebe Fee!
    Wunderschön, Dein Portrait über Corte! Aber auch der Rest der Insel ist sehr sehr sehenswert. Wir sind total in Korsika verknallt und waren erst im Juni wieder da – mit Wohnwagen hintendran und zwei Hunden im Gepäck. Denn wie Du bestimmt gesehen hast, findest Du auf dieser Insel keine Bettenburgen und Großhotels à la Mallorca, dafür aber viele Campingplätze.
    Korsika hat eine ganze Menge zu bieten und vor allem viel Natur und Ursprünglichkeit, was wir toll finden. So kommst Du zum Beispiel zum Strand von Saleccio nur mit einem Geländewagen – mit dem Du vorher 12 km Wüste durchqueren musst. Die Desert des Agriates ist wirklich mit einem "normalen" Wagen nicht fahrbar. Wenn Du aber die 12 km Staub und Hoppelpiste hinter Dir hast, kommst Du an einen fast menschenleeren Strand mit glasklarem türkisen Wasser und ….Kühen. Tatsächlich. Wilde Kühe, Schweine und Ziegen begegnen Dir eigentlich ständig auf Korsika.
    Ebenso Pflichtprogramm auf dieser Insel: In Flüssen baden. Die natürlich entstandenen Pools überall sind einfach herrlich!
    Du merkst schon, ich bin völlig begeistert von dieser Insel. Auf meinem Buchblog ist auch ein Urlaubslesetagebuch über Korsika in der Entstehung, dort nehme ich Euch mit nach Bastia, Cap Corse, Bonifacio, Lumio, Occi, in die Berge, ans Meer, und und und
    Und sicher ist: Ich war im Sommer nicht zum letzten Mal hier!
    LG von Kerstin

    • Fee ist mein Name sagt:

      Du hast Recht, ich habe definitiv noch zu wenig von der Insel gesehen. Da gibt es noch viel nachzuholen ;)! In den Bergen war ich aber auch, genauso in Bastia. Und im Fluss gebadet habe ich ebenfalls. Zumindest sowas in der Art. Ein Blogpost folgt…

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