Die Geschichte meiner Karnevalsantipathie in Kurzform, warum Verkleiden aber trotzdem okay ist und eine muntere Truppe maritimer Musikgesellen

BarcelonaReisenSpanien
2. März 2014 / By / , , / 9 Comments

Meine persönliche karnevalistische Ader verkümmerte im Alter von etwa sieben oder acht Jahren. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal an Rosenmontag Geburtstag gefeiert, natürlich mit einer Kostümparty, einmal war ich ein Clown, das andere Mal Seppel, was inhaltlich nur einen graduellen Unterschied machte, mir aber auch total egal war. Hauptsache Geschenke und Kuchen. Ich war ein paar Mal mit meiner Mutter beim bescheidenen Dortmunder Rosenmontagszug gewesen, wo mir größere Kinder die Kamelle vor der Nase weg klauten und in der Regel das Wetter schlecht war. Kurzum: Ich hatte alles gesehen und war mit der Nummer durch. Für viele Jahre beschränkte sich meine Teilhabe an der Veranstaltung darauf, dass ich mir an Rosenmontag einen obligatorischen Berliner gönnte und hinterher Bauchschmerzen hatte. Das Jahr, als ich mich in der Oberstufe als sexy Krankenschwester verkleidete und in der Disco mit Wodka Lemon die Kante gab, lassen wir mal als Ausrutscher durchgehen. Das ging so lange gut bis ich nach Mainz zog, wo Berliner Kreppel heißen, Karneval „Fassenacht“ und die ganze Nummer mindestens so wichtig ist wie die Papstwahl und das Finale von Germany’s Next Topmodel auf einmal. Mein bisheriges Desinteresse wandelte sich ob rudelartig auftretender Funkenmariechen und sturztrunkener Bienchen und Bärchen in meinem Bus zur Uni plötzlich in eine tiefsitzende Abneigung. Der einzige Weg dem Grauen zu entkommen, war für die Zeit der jecken Tage ins Exil zu gehen. Was ich auch tat. Bis auf ein Jahr.

Ich weiß nicht, was mich geritten hatte, aber ich blieb vor Ort und zu allem Überfluss kam mein damaliger Arbeitgeber, der SWR, auch noch auf die hervorragende Idee, mich als Online-Berichterstatterin zur Generalprobe von „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ zu schicken. Nun muss man wissen, dass die Generalprobe keine Generalprobe ist wie anderswo. Eigentlich ist es die gleiche Veranstaltung wie später im Fernsehen, keine Wiederholungen oder so, das volle Programm wird Eins zu Eins abgespult. Genau wie für das eigentliche Event kann man hier Karten kaufen, die in der Regel Monate vorher ausverkauft sind. Und genau wie im Fernsehen sind die Leute auch hier bis zur Unkenntlichkeit verkleidet. Auch die Presseleute. Die sich darum reißen, zur Generalprobe geschickt zu werden. Was ich aber alles vorher nicht wusste. Ich dachte: Gehste mal dahin, schreibste ein bisschen mit, gehste wieder nach Hause. Wird schon nicht so schlimm werden. Pustekuchen. Als ich in der Redaktion ankam, bekam mein Chef erst mal einen hysterischen Husten, als ihm klar wurde, dass ich kein Kostüm hatte. Aber es war zu spät, um das noch zu ändern, und so bekam ich als Notlösung eine SWR-Cappy mit zwei wippenden Antennen obendrauf und wurde in mein Verderben geschickt. Es war der schlimmste Abend meines Lebens. Daran konnte selbst der Gratiswein nichts ändern. Ich war die einzige Person in dem ganzen Laden ohne Kostüm und damit so etwas wie der Antichrist. Als sich der dpa-Mann im Piratenkostüm meiner erbarmte, sich zum Schunkeln bei mir einhängte und „Helau, helau, helau“ schrie, dachte ich, ich müsse vor Fremdscham auf der Stelle zu Asche zerfallen. Im folgenden Jahr wählte man wenig überraschend jemand anderes für die Mission aus. Ich war nicht traurig und ging wieder ins Exil.

Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"
Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"
Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"

Nun finde ich Verkleiden aber nicht grundsätzlich doof. Oder Leute, die sich verkleiden. Ich bin sogar überzeugt, dass es eine schöne Möglichkeit ist, Menschen einander näher zu bringen und Grenzen zu überwinden. Immerhin habe ich auch schon Gogo Yubari gegeben oder mich in schwarze Netzhandschuhe und Pailletten gehüllt. Obwohl ich mich dafür, jetzt mit etwas Abstand betrachtet, vielleicht auch ein klein bisschen schäme. Aber sei es drum. So lange Verkleiden nicht mit besoffenen Neandertalern, die plötzlich jegliche Regeln des menschlichen Miteinanders vermissen lassen, und „Tätä tätä tätä“ einhergeht, komme ich gut damit klar. Und ich komme auch grundsätzlich gut damit klar, dass andere Menschen Karneval gut finden und an der ganzen Sache einen Riesenspaß haben. So lange ich nicht mitmachen muss, können wir alle ruhig weiter Freunde sein :)!

Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"
Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"
Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"

Nun haben diese Bilder hier rein gar nichts mit Karneval zu tun, aber als ich am Freitag auf der Suche nach einem Thema für meinen heutigen Blogpost über diese Aufnahmen aus Barcelona gestolpert bin, sprudelte es plötzlich aus mir heraus. Gleich zweimal sind wir der Truppe während des Stadtfestes La Mercè begegnet, trommelnd, pfeifend, tutend, jonglierend, seepferdchenwippend und mir unverständliche spanische Sprachfetzen in Sprachrohre krakelend. Und ich fand sie großartig. Und wären sie dabei nicht verkleidet gewesen, es wäre nur halb so schön gewesen…

In diesem Sinne: Ein paar schöne Tage wünsche ich Euch, egal ob Jeck oder nicht. Die Hauptsache ist doch, dass wir alle unseren Spaß haben. Darauf einen Tusch.

Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"
Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"
Maritime Musik- und Artistentruppe während La Mercè in Barcelona - "Fee ist mein Name"

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9 Kommentare

  1. diefahrradfrau sagt:

    Schöne Bilder, die Truppe macht sicher ne tolle Show!
    Ach, Karneval… – find ich grundsätzlich schon ganz lustig, versteh nur nicht, warum das immer mit Alkohol bis zum Umkippen zelebriert werden muss. Verkleiden, Musik, Lachen und Spaß haben ist doch toll – den Rest brauch ich nicht.
    Liebe Grüße
    Christiane

  2. Michael sagt:

    Du gestattest, daß ich mich dank deines Beitrags köstlich amüsiere und gerade herzhaft lachen mußte :-D. Wohgemerkt ich habe dich nicht ausgelacht, sondern kann dich sooo gut verstehen. Einen schönen (Rosen-)Montag und Dortmund Helau (oder was man auch immer bei euch ruft).

    LG
    Michael

  3. Ursel Rabenfrau sagt:

    Hurra, noch ein Muffel ;o) Als Kind war ich durchaus Fan von Fasching, wobei sich das Feiern daheim abspielte und ich drei bis vier verkleidete Freundinnen einladen durfte. Klassenfasching in der Schule fand ich weniger doll. Nun ja, das mag damit zusammen hängen, dass ich immer das Mauerblümchen gegeben habe.
    In der Studienzeit gab es dermaleinst (inzwischen gibt es dort, wie ich hörte, High Life in allen Gassen!) ein einziges Event in der Stadt, in der ich war, und das war immer grandios. Danach war ich auf ein bis zwei leidlich lustigen Festivitäten. Dann kamen die Kinder mit herrlichen Feten en famille, wir waren bis zu 30 Hanseln in einer 3-Zimmer-Wohnung. Mit Kind und Kegel, versteht sich. Und es gab Weiberfasnet, das war damals auch herrlich. Aber irgendwann, als die Knaben größer wurden, war auf einmal die Luft raus und die Lust dahin. Und nun bin ich, wie gesagt, ein Muffel. Aber wer mag, der soll ruhig Spaß haben.
    Grüßle
    Ursel

  4. Hallo Fee,

    absolut sympathischer und nachvollziehbarer Beitrag! Ich bin in Mainz zur Schule gegangen, dort in der Nachbarschaft aufgewachsen, und hab' die dortige Fassenacht schon seit Babyalter miterlebt. Aber seit mehreren Jahren versuche ich, nicht in die Nähe irgendeiner Kappenaktivität zu kommen. Beim Lesen deines Artikels habe ich mir dich in der Sitzung bildlich vorgestellt und habe sehr schmunzeln müssen. 🙂

    Dann doch lieber der spanischen Truppe zuschauen …

    LG
    Susanne

  5. julia sagt:

    sehrsehr tolle fotos!

    ich bin auch nicht so ein fan organisierter besoffener fröhlichkeit, verkleiden ist aber in ordnung… hab auch noch mal die kostüm-verweise angeklickt – siehst gut aus! die trash-bilder bringen einen ganz schön zum schmunzeln… in berlin ist die hälfte davon sehr modisch 😀

  6. heimatPOTTential sagt:

    Ist mir alles egal. Aber ich will ein Foto von Dir mit dem Antennen-Cappi sehen, bitte 🙂

    <3

  7. Ursula sagt:

    Habe herzhaft gelacht – und das schon in der Früh! Danke! Hier in Innsbruck gibt es das Gott sei Dank in der Extremform nicht, aber am Faschingsdienstag meide ich auch die Innenstadt.
    Allerdings fahre ich jedes Jahr mit Freunden nach Venedig und wir verkleiden uns dabei auch relativ aufwendig um durch die Stadt zu flanieren. Leider hat in den letzten Jahren auch dort verkleidungsmäßig ein gewisser Abstieg begonnen, es werden die wundervollen, bizarren, farbenprächtigen Kostüme und Masken auch schon durch rote Pappnasen etc. unterlaufen.
    Trotzdem noch ein ganz anderes Event!

    Ursula

  8. Anonym sagt:

    Du sprichst mir total aus dem Herzen…! Bei mir lief es ganz ähnlich ab – nur das ich Verwandschaft im Rheinland habe…
    Aber ich bin raus aus der Nummer – ist nicht meins…
    Verkleiden grundsätzlich ist aber schon lustig – ich habe um Halloween rum Geburtstag – und da habe ich schon öfter eine Motto/Verkleidungsparty gefeiert… 😉

    Piccoletta Pottschnecke

  9. Salma sagt:

    Darauf ein großes LOL 😉

    Herrlich geschrieben, ich hätte beinahe meine schlafende Brut geweckt 😉

    Ganz liebe Grüße von der unverkleideten
    Salma

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